Man lese zuvor das Dokument
http://www.chillingeffects.de/kaefer1.pdf
324 O 792/16 - Seite 1 -
Landgericht Hamburg
Az.: 324 O 792/16
Verkündet am 17.05.2017
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Urteil
IM NAMEN DES VOLKES
In der Sache
<leer>
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte <leer>
gegen
<leer>
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte <leer>
erkennt das Landgericht Hamburg - Zivilkammer 24 - durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht Käfer,
die Richterin am Landgericht Böert und
den Richter Kersting
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2017 für Recht:
I. Die einstweilige Verfügung vom 14. Dezember 2016 wird hinsichtlich
Ziffer 1. a.) aufgehoben und der ihr zugrundeliegende Antrag zurückgewiesen.
Hinsichtlich Ziffer 1. b.) wird die einstweilige Verfügung vom 14. Dezember
2016 bestätigt.
II. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin
jeweils hälftig zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Antragsteller darf die Kostenvollstreckung durch die Antragsgegnerin
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit
in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
324 O 792/16 - Seite 2 -
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand einer einstweiligen Verfügung,
mit der der Antragsgegnerin verboten wurde,
a) identifizierend über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Strafverfahren
vor dem Landgericht Hamburg zu berichten, wie geschehen in dem Artikel der
B.-Zeitung „P. w. s. M. – S. s. – U.-A. b. P. b. V.“ vom 6. Dezember 2016
(Anlage ASt 1)
und/oder
b) das nachfolgende Foto im Rahmen der Berichterstattung über das in
Ziffer a.) genannte Strafverfahren zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen
Bild entfernt
wie geschehen in dem Artikel der B.-Zeitung „P. w. s. M. – S. s. – U.-A.
b. P. b. V.“ vom 6. Dezember 2016 (Anlage ASt 1).
Der Antragsteller ist Arzt und Spezialist für Knochenheilung. Von 2011
bis Oktober 2013 war er im U.H.-E. (U.)***, orthopädische Unfallchirurgie,
tätig.
*** Die Abkürzung "U.H.-E." ist falsch. Richtig wäre "UKE". Durch die bewusst falsche
Abkürzung wollte die rechtsbeugende Richterin Simone Käfer die Identifizierung der von
Skandalen erschütterten Klinik vereiteln.
Auch in dem Parallelurteil 324 O 784/16 hat die rechtsbeugende Richterin Simone Käfer die Klinik
bewusst falsch abgekürzt. Jeder Hamburger kürzt "UKE" ab, nicht "U.H.-E.". Sogar in der
Wikipedia steht "UKE".
Die Antragsgegnerin ist für die Print-Ausgabe der B.-Zeitung verantwortlich
(Impressum Anlage ASt 2).
Am 05.12.2016 begann gegen den Antragsteller ein Strafverfahren vor dem
Landgericht H.. Dem Antragsteller wurde zur Last gelegt, eine Patientin am
08.10.2013 und 09.10.2013 in zwei Fällen unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses
sexuell missbraucht zu haben (§ 174c Abs. 1 StGB), indem er eine wegen
eines Rückenleidens stationär aufgenommene Patientin im Intimbereich
abgetastet und ihr mehrere Finger sowohl vaginal als auch rektal eingeführt
habe. Wegen der Vorwürfe war der Antragsteller im Oktober 2013 vom U.
freigestellt und sein Vertrag im Juni 2014 aufgelöst worden. Über
das Strafverfahren wurde im Vorhinein, währenddessen und nach Beendigung
wiederholt in der Presse berichtet (vgl. Anlagenkonvolut AG 1).
Die Antragsgegnerin veröffentlichte am 06.12.2016 auf in der Hamburger
Lokalausgabe der B.-Zeitung einen Artikel unter der Überschrift „P. w.
s. M. – S. s. – U.-A. b. P. b. V.“ (Anlage ASt 1), in dem sie über den
Prozessauftakt berichtete. In der Berichterstattung werden Vorname, Anfangsbuchstabe
des Nachnamens und Alter des Antragstellers genannt; es wird angegeben, er
sei Spezialist für Knochenheilung und 2011 von der C. (B.) an das U.,
Abteilung orthopädische Unfallchirurgie, gekommen. Zudem enthält
der Artikel ein Foto, das den Antragsteller im Gerichtssaal zeigt, seine
Augenpartie ist von einem schwarzen Balken bedeckt. Für die Einzelheiten
der streitgegenständlichen Berichterstattung wird auf Anlage ASt 1 Bezug
genommen.
324 O 792/16 - Seite 3 -
Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.12.2016
(Anlage ASt3) ab. Mit Schreiben vom 08.12.2016 (Anlage ASt 4) lehnte die
Antragsgegnerin die Abgabe der geforderten Unterlassungsverpflichtungserklärung
ab. Nach Erlass der einstweiligen Verfügung im Parallelverfahren 324
O 784/16 gab der Antragsteller der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.12.2016
(Anlage ASt 5) abermals die Gelegenheit zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung,
eine Reaktion auf dieses Schreiben blieb aus.
Auf Antrag des Antragstellers vom 12.12.2016 erließ die Kammer am 14.12.2016
die streitgegenständliche einstweilige Verfügung.
Am nächsten Hauptverhandlungstag, dem 12.12.2016, räumte der Antragsteller
das ihm zur Last gelegte Geschehen umfänglich ein. Am 13.12.2016 wurde
er wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu einer Freiheitsstrafe von
einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist
noch nicht rechtskräftig.
Der Antragsteller stellte der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung
am 20.12.2016 zu.
Mit Schreiben vom 05.01.2017 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller
zum Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung auf (Anlage
AG 2). Dies lehnte der Antragsteller mit Schreiben vom 06.01.2017 (Anlage
AG 3) ab.
Die Antragsgegnerin hat am 03.03.2017 Widerspruch gegen die einstweilige
Verfügung eingelegt.
Sie ist der Auffassung, der Antragsteller sei in der Berichterstattung nicht
erkennbar. Der Vorname sei ein „Allerweltsname“, Nachnamen mit dem Anfangsbuchstaben
„T“ eine Alltäglichkeit. Die Antragsgegnerin habe sich bewusst auf die
Schilderung der notwendigsten Umstände beschränkt, um die sich
aus der Anklage ergebenden Vorwürfe nachvollziehbar zu machen. Das streitgegenständliche
Foto lasse keine Rückschlüsse auf identifizierende Merkmale wie
etwa Statur, Haltung, Kleidung, Stimme oder andere charakteristische Besonderheiten
zu, auch weil der Antragsteller, verdeckt von einem Rollkragenpullover, hinter
einem Tisch sitze.
Weiterhin ist sie der Auffassung, dass die Berichterstattung sowohl bzgl.
der Wort- als auch der Bildberichterstattung schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
rechtmäßig gewesen sei. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen
einer identifizierenden Berichterstattung im Rahmen der Verdachtsberichterstattung
seien erfüllt. Die Stellung des Antragstellers als Arzt, der Verdacht
einer Tat mit sexuellem Hintergrund unter Ausnutzung der Hilflosigkeit der
Patientin sowie die in der Vergangenheit aufgetretene Vielzahl von schweren
Vorwürfen gegen Mitarbeiter des U. führten dazu, dass ein Vorgang
von gravierenden Gewicht vorliege. Die Berichterstattung sei zudem erforderlich,
um die Aufdeckung naheliegender weiterer Straftaten zu ermöglichen sowie
die mediale Kontrolle und Überwachung der einheitlichen Rechtsanwendung
durch die Gerichte zu verwirklichen. Der erforderliche Mindestbestand an
Tatsachen sei gegeben, insbesondere unter Hinzuziehung des Umstandes, dass
der Antragsteller bereits angekündigt habe, ein
324 O 792/16 - Seite 4 -
Geständnis ablegen zu wollen. Die Einholung einer Stellungnahme sei
in der vorliegenden Konstellation obsolet gewesen, zumal der Antragsteller
in der öffentlich geführten Hauptverhandlung ausreichend Möglichkeit
erhalten habe, sich zu dem ihm zur Last gelegten Geschehen zu äußern.
Durch die von ihr, der Antragsgegnerin, genutzten Formulierungen habe sie
auch unmissverständlich deutlich gemacht, dass es sich um ein laufendes
Verfahren handele und die Täterschaft des Antragstellers zu diesem
Zeitpunkt noch nicht festgestanden habe („nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft“,
„womöglich“, „laut Anklage“, „soll“).
Jedenfalls sei der Verfügungsanspruch durch die Verurteilung des Antragstellers
endgültig entfallen. Wenn die Täterschaft des Betroffenen feststehe,
bestehe bei einer aktuellen Berichterstattung eine Vermutung dafür,
dass das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung gegenüber
dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht überwiege. Bei der vom Antragsteller
begangenen Straftat aus dem Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
handele es sich um eine Straftat, die das öffentliche Interesse besonders
berühre. Die Schwere der Straftat werde durch die Stellung des Antragstellers
als Arzt noch verstärkt, da Ärzte berufsrechtlich verpflichtet
sein, ihr Handeln rein am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten
(§ 2 der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen
und Ärzte, Anlage AG 5). Die Berichterstattung diene darüber hinaus
den weiteren öffentlichen Interessen des Anstoßes zur Aufdeckung
möglicher weiterer, gleich ausgestalteter Vergehen, der Überwachung
der Gerichte sowie der Warnung.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. Dezember 2016 aufzuheben
und den ihr zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Er ist der Auffassung, dass ihm aufgrund der identifizierbaren Berichterstattung
der Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch zustehe und dieser insbesondere
auch nach seiner Verurteilung unverändert fortbestehe. Aufgrund des
nur unzureichend unkenntlich gemachten Fotos und der veröffentlichten
ergänzenden Angaben zu seiner Person sei er jedenfalls für sämtliche
Patienten, Kollegen und Bekannte deutlich erkennbar. Die verbreitete Berichterstattung
sei rufschädigend und verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht
in besonders schwerer Weise; die Rechtswidrigkeit bestehe insbesondere auch
nach seiner geständigen Einlassung und Verurteilung fort. Denn das Recht
der Antragsgegnerin, über ein Strafverfahren zu berichten, schließe
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das Recht ein, den Angeklagten
mit Namen zu nennen oder in sonstiger Weise identifizierbar zu machen. Diese
Grundsätze seien insbesondere dann zu beachten, wenn das Verfahren
die berufliche
324 O 792/16 - Seite 5 -
Sphäre des Betroffenen betreffe, da dann die akute Gefahr bestehe, dass
er das Vertrauen seiner Klientel, Kollegen und seines Arbeitgebers und somit
die Basis seiner beruflichen Tätigkeit verliere. Dem öffentlichen
Informationsinteresse sei durch eine anonymisierte Berichterstattung Genüge
getan. Auch die Veröffentlichung des Bildes sei rechtswidrig, da ihm
überhaupt kein eigenständiger Informationswert zukomme, und kein
schutzwürdiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran bestehe,
durch die Veröffentlichung eines Bildes über den im Text beschriebenen
Betroffenen informiert zu werden. Vielmehr stelle die Berichterstattung der
Antragsgegnerin ihn mit Preisgabe der identifizierenden Umstände bewusst
an einen Pranger. Zudem stehe der Veröffentlichung sein berechtigte
Resozialisierungsinteresse des Antragstellers entgegen, insbesondere vor
dem Hintergrund, dass er nicht einmal zu einer Haftstrafe verurteilt worden
sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze
nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I . Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung ist die einstweilige Verfügung
vom 14. Dezember 2016 hinsichtlich Ziffer I. a) aufzuheben und der ihr zugrundeliegende
Antrag zurückzuweisen; hinsichtlich Ziffer I. b) ist die einstweilige
Verfügung dagegen zu bestätigen.
1. Der Antragsteller ist aktiv legitimiert, insbesondere ist er von der streitgegenständlichen
Wort- und Bildberichterstattung betroffen, da er als Angeklagter des Strafverfahrens
erkennbar ist. Zwar wird in der Berichterstattung nicht sein voller Name
genannt, sondern lediglich sein Vorname sowie der Anfangsbuchstabe seines
Nachnamens. Zudem wurde sein Foto mit einem schwarzen Balken über der
Augenpartie versehen. Für die Erkennbarkeit ist es jedoch ausreichen,
dass der Antragsteller durch die Gesamtschau der mitgeteilten Informationen
und des veröffentlichten Bildes identifizierbar ist. Insoweit kann bereits
die Übermittlung von Teilinformationen genügen, aus denen die Identität
für die sachlich interessierte Leserschaft sich ohne weiteres ergibt
oder mühelos ermitteln lässt (BVerfG, Beschluss vom 14.07.2004,
1 BvR 263/03 – Presseberichterstattung, Juris). Denn das Grundrecht kann
nicht nur betroffen sein, wenn eine persönlichkeitsverletzende Äußerung
eine Verbreitung in einem großen Kreis von Dritten erfährt, sondern
auch dann, wenn über das Medium der Zeitung persönlichkeitsverletzende
Informationen an solche Leser geraten, die auf Grund ihrer sonstigen Kenntnisse
in der Lage sind, die Person zu identifizieren, auf die sich der Bericht
bezieht. Gerade für Leser mit Einblick in das berufliche oder persönliche
Umfeld des Betroffenen ist die Information in ihrem persönlichkeitsverletzenden
Teil aussagekräftig und in der Folge für die in Bezug genommene
Person besonders nachteilig (BVerfG a.a.O.). Das Recht am eigenen Bild,
eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wird zudem
schon dann verletzt, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat, anzunehmen,
er könne als abgebildet identifiziert werden; es genügt die Erkennbarkeit
durch einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis (BGH; Urteil vom
26.06.1979,VI ZR 108/78 – Fußballtor, Juris Rn. 11). Denn entscheidend
ist
324 O 792/16 - Seite 6 -
der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen,
gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung für andere verfügbar
zu werden (BGH a.a.O.).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist angesichts der Fülle der
mit geteilten Teilinformationen von der Erkennbarkeit des Antragstellers
auszugehen. Die Berichterstattung nennt neben seinem Vornamen und dem Anfangsbuchstaben
des Nachnamens auch seinen Doktortitel, zudem werden Details zu seinem beruflichen
Werdegang mitgeteilt. Auch auf dem Foto ist der Antragsteller – jedenfalls
für seinen Bekanntenkreis genauso wie für Personen aus seinem beruflichen
Umfeld wie Kollegen oder Patienten – erkennbar. Der lediglich die Augenpartie
verdeckende schwarze Balken steht der Erkennbarkeit genauso wenig entgegen
wie die von dem Antragsteller getragene Kleidung oder die Tatsache, dass
er hinter einem Tisch sitzt. Denn weiterhin gut sichtbar sind Statur, Kopfform,
Frisur, Nasen- und Mundpartie sowie Hände des Antragstellers.
2. Dem Antragsteller steht hinsichtlich Ziffer I. a) jedoch unter keinem
rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch zu, insbesondere ergibt
sich ein solcher nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB
analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Denn die den Antragsteller
identifizierende Wortberichterstattung stellt keinen rechtswidrigen Eingriff
in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.
a. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt sich um einen offenen
Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine
ordnungsgemäße Abwägung aller Umstände des konkreten
Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
voraussetzt (Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage 2017,
§ 823 BGB Rn. 95). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist
nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen
Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall hat eine Abwägung
zwischen dem Recht des Antragstellers auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts
nach Art . 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf der einen Seite
und dem Recht der Antragsgegnerin auf Meinungs- und Pressefreiheit nach Art.
5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK auf der anderen Seite zu erfolgen.
Dabei misst sich die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Wortberichterstattung
nicht an den Maßstäben der Verdachtsberichterstattung, da der
Antragsteller zum Schluss der mündlichen Verhandlung als maßgeblichem
Zeitpunkt für die Überprüfung der einstweiligen Verfügung
(Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, §
925 Rn. 3) bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war.
Steht die Täterschaft des Betroffenen fest, so spricht nach der Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts bei tagesaktueller Berichterstattung über
Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eine Vermutung für das Überwiegen
des Berichterstattungsinteresses (BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72
– Lebach, Juris Rn. 64; Beschluss vom 10.06.2009, 1 BvR 1107/09, Juris Rn.
19). Zwar wird eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat
unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters seinen Persönlichkeitsbereich
erheblich beeinträchtigen, weil sie sein Fehlverhalten
324 O 792/16 - Seite 7 -
öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten
von vornherein negativ qualifiziert (BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR
536/72 – Lebach, Juris Rn. 55). Auf der anderen Seite ist aber ein grundsätzlich
ebenso gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit anzuerkennen, bei Verstößen
gegen die Rechtsordnung über Tat und Täter informiert zu werden
(BVerfG a.a.O., Juris Rn. 63; EGMR, Urteil vom 07.02.2012, 39954/08, Juris
Rn.173). Wägt man das umschriebene Informationsinteresse an einer entsprechenden
Berichterstattung generell gegen den damit zwangsläufig verbundenen
Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab, so verdient
für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse
im allgemeinen den Vorrang (BVerfG a.a.O., Juris Rn. 64). Wer den Rechtsfrieden
bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter
der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür
in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen.
Er muss grundsätzlich auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine
Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem
Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen
Wegen befriedigt wird (BVerfG a.a.O.). Dieser Vorrang des Informationsinteresses
gilt jedoch nicht schrankenlos. Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
darf der Einbruch in die persönliche Sphäre nicht weitergehen,
als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert;
die für den Täter entstehenden Nachteile müssen im rechten
Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für
die Öffentlichkeit stehen. Danach ist eine Namensnennung, Abbildung
oder sonstige Identifikation der Täter keineswegs immer zulässig,
insbesondere in Fällen der kleinen Kriminalität oder bei jugendlichen
Straftätern wird dies nicht der Fall sein (BVerfG a.a.O., Juris Rn.
65). Wo konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse
an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter
Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden
(BVerfG a.a.O., Juris Rn. 67). Für die Zulässigkeit einer den
Täter identifizierenden Berichterstattung spricht im Allgemeinen, wenn
das spezifische öffentliche Interesse weniger durch das typische der
Tat als durch die Person des Täters ausgelöst wird, namentlich
die Frage, welche persönlichen Eigenarten oder Lebensumstände ihn
zu seiner Tat getrieben haben mögen (BVerfG a.a.O.).
b. Ausgehend von diesen Maßstäben beeinträchtigt die identifizierende
Wortberichterstattung den Antragsteller zwar erheblich in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht (1). Bei der erforderlichen Einzelabfallabwägung
überwiegt vorliegend jedoch das öffentliche Berichterstattungsinteresse
(2).
(1) Die Wortberichterstattung teilt wahre Vorgänge aus der Sozialsphäre
des Antragstellers mit. Grundsätzlich sind wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre
von dem Betroffenen hinzunehmen, soweit sie nicht zu einer Stigmatisierung
oder sozialen Ausgrenzung führen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998,
1 BvR 131/96 – Missbrauchsvorwurf, Juris Rn. 49; BGH, Urteil vom 09.02.2010,VI
ZR 243/08 - Walter Sedlmayr Mord mit dem Hammer, Juris Rn. 16). Der in der
Berichterstattung beschriebene Tatvorwurf gegen den Antragsteller ist erkennbar
geeignet, seinen guten Ruf und sein Ansehen zu beeinträchtigen. Angesichts
der Schwere und des
324 O 792/16 - Seite 8 -
Charakters der Straftat begründet die identifizierende Berichterstattung
einen besonders schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Denn
es handelt sich um eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter
Ausnutzung der Hilflosigkeit einer Patientin, zudem berief sich der Antragsteller
als Arzt zunächst auf die medizinische Notwendigkeit seiner Handlung.
Dagegen kann sich der Antragsteller nicht auf den Schutz seiner absolut geschützten
Intimsphäre berufen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 10.06.2009, 1
BvR 1107/09, Juris Rn. 26). Eine Sexualstraftat mag zwar intime Züge
tragen, weil sie sich auf dem Gebiet der Sexualität abspielt. Mit ihr
geht aber ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung
und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einher, so dass ihre Begehung
keinesfalls als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien
Entfaltung der Persönlichkeit des Täters angesehen werden kann.
Die Tat ist deshalb auch nicht von höchstpersönlicher, die Menschenwürde
des Täters berührender Natur, so dass ihm hierfür ein fremden
Einblicken entzogener Freiraum zuzubilligen wäre (BVerfG a.a.O.).
Im Rahmen der Abwägung ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen,
dass die von ihm begangene Straftat unmittelbar seine berufliche Tätigkeit
betrifft und somit seine berufliche Zukunft auf dem Spiel stehen dürfte.
Denn die zu erwartende Stigmatisierung gefährdet die Chancen des Antragstellers,
jemals wieder als Arzt tätig zu sein. Auch die Tatsache, dass seine
Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, spricht für sein besonderes
Resozialisierungsinteresse.
(2) Dagegen ist auf Seiten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass
die Berichterstattung ein zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuelles
Strafverfahren betrifft, also ein aktuelles Informationsinteresse befriedigt
wird. Genannt werden in der Wortberichterstattung auch nur solche Identifikationsmerkmale
des Antragstellers, die seine Öffentlichkeitssphäre berühren
(Name, Alter, Beruf, Arbeitgeber), nicht dagegen weitere Details aus seiner
Privatsphäre. Zudem ist der Antragsteller mittlerweile wegen der ihm
zur Last gelegten Tat aufgrund eines Geständnisses in erster Instanz
zu einer Freiheitsstrafe (auf Bewährung) verurteilt worden, deren Höhe
nicht im unteren Bereich des Strafrahmens des § 174c Abs. 1 StGB (3
Monate bis 5 Jahre) liegt.
Von besonderem Gewicht im Rahmen der Abwägung ist jedoch das große
Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden
Berichterstattung. Dieses begründet sich aus der Schwere der Straftat,
der Stellung des Antragstellers als Arzt sowie aus den weiteren Vorwürfen
gegen Mitarbeiter des U. in engerem zeitlichen Zusammenhang, wenn auch nicht
im Zusammenhang mit dem Antragsteller. Ausschlaggebend für das Überwiegen
des Informationsinteresses an einer identifizierenden Berichterstattung ist
zur Überzeugung der Kammer dabei, dass das spezifische Interesse der
Öffentlichkeit gerade durch die Person des Antragstellers ausgelöst
wird, weil dieser als Arzt seine Stellung ausgenutzt hat, um einer Patientin
zu schaden. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hat der Antragsteller
durch die Begehung der Straftat selbst geweckt; daher muss er nun dulden,
dass über das Strafverfahren identifizierend berichtet wird. Denn das
allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt
324 O 792/16 - Seite 9 -
dem Täter keinen Anspruch darauf, in aller Stille das Strafverfahren
abwickeln zu können, um der sozialen Missbilligung durch sein Umfeld
zu entgehen (BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009, 1 BvR 1107/09, Juris Rn.
29). Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss
des Verfahrens ein Ende findet, geht keine derart schwerwiegende Stigmatisierung
in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder langanhaltende
soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die in der Abwägung
das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (BVerfG a.a.O.).
Die streitgegenständliche tagesaktuelle Wortberichterstattung entfaltet
zur Überzeugung der Kammer keine derart gravierende Breitenwirkung,
dass eine dauerhafte Ausgrenzung des Antragstellers zu befürchten wäre,
die er nicht bereits durch das strafrechtlich relevante Verhalten und die
daraufhin ergangene Verurteilung selbst verursacht hat. Es ist nicht darüber
zu entscheiden, ob zukünftig bzw. ab einem gewissen Zeitpunkt nicht
mehr identifizierend berichtet werden darf.
2. Hinsichtlich der Bildberichterstattung in Ziffer 1. b) steht dem Antragsteller
dagegen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs.
1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG zu, denn die angegriffene
Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines
Persönlichkeitsrecht.
a. Die Veröffentlichung des Bildnisses des Antragstellers ist ohne seine
Einwilligung (§ 22 S.1 KUG) erfolgt.
Die Einwilligung des Antragstellers war auch nicht gemäß §
23 Abs. 1 KUG entbehrlich. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Strafverfahren
gegen den Antragsteller um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt. Denn jedenfalls stehen der Befugnis zur
Verbreitung des Bildnisses berechtigte Interessen des Antragstellers entgegen
(§ 23 Abs. 2 KUG).
Zwar wurden die Aufnahmen anlässlich einer öffentlichen Hauptverhandlung
in einem Strafverfahren angefertigt; die im Rahmen einer solcher Verhandlung
anwesenden Öffentlichkeit, die den Kläger zur Kenntnis nehmen kann,
ist jedoch nicht mit der Öffentlichkeit vergleichbar, die durch einen
Zeitungsartikel erreicht wird. Die Verbreitung des Bildnisses des Antragstellers
stellt angesichts der nur unzureichenden Unkenntlichmachung seiner Person
und des daraus resultierenden sehr großen Grades der Erkennbarkeit
für Bekannte und berufliches Umfeld, aber auch für die Öffentlichkeit
im allgemeinen, einen massiven Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht
dar. Zwar hat der BGH hervorgehoben, dass häufig auch ein legitimes
Interesse der Öffentlichkeit an der bildlichen Darstellung eines Straftäters
bestehen kann, weil Straftaten durch dessen Persönlichkeit geprägt
sind und Bilder prägnant und unmittelbar über seine Person informieren
können (BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal,
Juris Rn. 24). Soll nicht nur der Name, sondern auch ein Bildnis des (vermeintlichen)
Straftäters veröffentlicht werden, gilt aber auch hier der Grundsatz,
dass Bildnis-Veröffentlichungen regelmäßig intensiver in
das Persönlichkeitsrecht eingreifen als reine Wortberichterstattungen
(BVerfG Urteil vom 15.12.1999, 1 BvR 653/96 –Caroline von Monaco II,
324 O 792/16 - Seite 10 -
Juris Rn. 70ff.). Eine solche deutlich höhere Eingriffsintensität
der Bildberichterstattung gegenüber der Wortberichterstattung ist vorliegend
gegeben, weil der Antragsteller auch für solche Personen identifizierbar
wird, die nicht im beruflichen Umfeld Kontakt zu ihm haben. Der Antragsteller
wird so gleichsam an den Pranger gestellt, ohne dass diese Eingriffsintensität
durch ein besonderes Informationsinteresse gerechtfertigt wäre.
b. Es besteht hinsichtlich der Bildberichterstattung auch die für den
Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch
die Erstbegehung indiziert, es wurde keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung
abgegeben, die einstweilige Verfügung der Kammer wurde nicht
als endgültige Regelung anerkannt und auch sonst sind keine Umstände
ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr entfallen lassen könnten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, die Entscheidung
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.
6, 711 ZPO.
Käfer
Vorsitzende Richterin am Landgericht
Böert
Richterin am Landgericht
Kersting
Richter
Zum Ausdruck obiger HTML-Datei verwende man die PDF-Datei Kaefer1a.pdf