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324 O 792/16 - Seite 1 -

Landgericht Hamburg

Az.: 324 O 792/16

Verkündet am 17.05.2017

Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Urteil

IM NAMEN DES VOLKES

In der Sache

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- Antragsteller -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte <leer>

gegen

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- Antragsgegnerin -

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte <leer>

erkennt das Landgericht Hamburg - Zivilkammer 24 - durch

die Vorsitzende Richterin am Landgericht Käfer,
die Richterin am Landgericht Böert und
den Richter Kersting

auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.05.2017 für Recht:

I. Die einstweilige Verfügung vom 14. Dezember 2016 wird hinsichtlich Ziffer 1. a.) aufgehoben und der ihr zugrundeliegende Antrag zurückgewiesen.

Hinsichtlich Ziffer 1. b.) wird die einstweilige Verfügung vom 14. Dezember 2016 bestätigt.

II. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils hälftig zur Last.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Antragsteller darf die Kostenvollstreckung durch die Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 
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Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin verboten wurde,

a) identifizierend über den Antragsteller im Zusammenhang mit dem Strafverfahren vor dem Landgericht Hamburg zu berichten, wie geschehen in dem Artikel der B.-Zeitung „P. w. s. M. – S. s. – U.-A. b. P. b. V.“ vom 6. Dezember 2016 (Anlage ASt 1)

und/oder

b) das nachfolgende Foto im Rahmen der Berichterstattung über das in Ziffer a.) genannte Strafverfahren zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen

Bild entfernt

wie geschehen in dem Artikel der B.-Zeitung „P. w. s. M. – S. s. – U.-A. b. P. b. V.“ vom 6. Dezember 2016 (Anlage ASt 1).

Der Antragsteller ist Arzt und Spezialist für Knochenheilung. Von 2011 bis Oktober 2013 war er im U.H.-E. (U.)***, orthopädische Unfallchirurgie, tätig.

*** Die Abkürzung "U.H.-E." ist falsch. Richtig wäre "UKE". Durch die bewusst falsche Abkürzung wollte die rechtsbeugende Richterin Simone Käfer die Identifizierung der von Skandalen erschütterten Klinik vereiteln.

Auch in dem Parallelurteil 324 O 784/16 hat die rechtsbeugende Richterin Simone Käfer die Klinik bewusst falsch abgekürzt. Jeder Hamburger kürzt "UKE" ab, nicht "U.H.-E.". Sogar in der Wikipedia steht "UKE".

Die Antragsgegnerin ist für die Print-Ausgabe der B.-Zeitung verantwortlich (Impressum Anlage ASt 2).

Am 05.12.2016 begann gegen den Antragsteller ein Strafverfahren vor dem Landgericht H.. Dem Antragsteller wurde zur Last gelegt, eine Patientin am 08.10.2013 und 09.10.2013 in zwei Fällen unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses sexuell missbraucht zu haben (§ 174c Abs. 1 StGB), indem er eine wegen eines Rückenleidens stationär aufgenommene Patientin im Intimbereich abgetastet und ihr mehrere Finger sowohl vaginal als auch rektal eingeführt habe. Wegen der Vorwürfe war der Antragsteller im Oktober 2013 vom U. freigestellt und sein Vertrag im Juni 2014 aufgelöst worden. Über das Strafverfahren wurde im Vorhinein, währenddessen und nach Beendigung wiederholt in der Presse berichtet (vgl. Anlagenkonvolut AG 1).

Die Antragsgegnerin veröffentlichte am 06.12.2016 auf in der Hamburger Lokalausgabe der B.-Zeitung einen Artikel unter der Überschrift „P. w. s. M. – S. s. – U.-A. b. P. b. V.“ (Anlage ASt 1), in dem sie über den Prozessauftakt berichtete. In der Berichterstattung werden Vorname, Anfangsbuchstabe des Nachnamens und Alter des Antragstellers genannt; es wird angegeben, er sei Spezialist für Knochenheilung und 2011 von der C. (B.) an das U., Abteilung orthopädische Unfallchirurgie, gekommen. Zudem enthält der Artikel ein Foto, das den Antragsteller im Gerichtssaal zeigt, seine Augenpartie ist von einem schwarzen Balken bedeckt. Für die Einzelheiten der streitgegenständlichen Berichterstattung wird auf Anlage ASt 1 Bezug genommen.

 
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Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.12.2016 (Anlage ASt3) ab. Mit Schreiben vom 08.12.2016 (Anlage ASt 4) lehnte die Antragsgegnerin die Abgabe der geforderten Unterlassungsverpflichtungserklärung ab. Nach Erlass der einstweiligen Verfügung im Parallelverfahren 324 O 784/16 gab der Antragsteller der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 09.12.2016 (Anlage ASt 5) abermals die Gelegenheit zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung, eine Reaktion auf dieses Schreiben blieb aus.

Auf Antrag des Antragstellers vom 12.12.2016 erließ die Kammer am 14.12.2016 die streitgegenständliche einstweilige Verfügung.

Am nächsten Hauptverhandlungstag, dem 12.12.2016, räumte der Antragsteller das ihm zur Last gelegte Geschehen umfänglich ein. Am 13.12.2016 wurde er wegen der gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Der Antragsteller stellte der Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung am 20.12.2016 zu.

Mit Schreiben vom 05.01.2017 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zum Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung auf (Anlage AG 2). Dies lehnte der Antragsteller mit Schreiben vom 06.01.2017 (Anlage AG 3) ab.

Die Antragsgegnerin hat am 03.03.2017 Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.

Sie ist der Auffassung, der Antragsteller sei in der Berichterstattung nicht erkennbar. Der Vorname sei ein „Allerweltsname“, Nachnamen mit dem Anfangsbuchstaben „T“ eine Alltäglichkeit. Die Antragsgegnerin habe sich bewusst auf die Schilderung der notwendigsten Umstände beschränkt, um die sich aus der Anklage ergebenden Vorwürfe nachvollziehbar zu machen. Das streitgegenständliche Foto lasse keine Rückschlüsse auf identifizierende Merkmale wie etwa Statur, Haltung, Kleidung, Stimme oder andere charakteristische Besonderheiten zu, auch weil der Antragsteller, verdeckt von einem Rollkragenpullover, hinter einem Tisch sitze.

Weiterhin ist sie der Auffassung, dass die Berichterstattung sowohl bzgl. der Wort- als auch der Bildberichterstattung schon zum Zeitpunkt der Veröffentlichung rechtmäßig gewesen sei. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer identifizierenden Berichterstattung im Rahmen der Verdachtsberichterstattung seien erfüllt. Die Stellung des Antragstellers als Arzt, der Verdacht einer Tat mit sexuellem Hintergrund unter Ausnutzung der Hilflosigkeit der Patientin sowie die in der Vergangenheit aufgetretene Vielzahl von schweren Vorwürfen gegen Mitarbeiter des U. führten dazu, dass ein Vorgang von gravierenden Gewicht vorliege. Die Berichterstattung sei zudem erforderlich, um die Aufdeckung naheliegender weiterer Straftaten zu ermöglichen sowie die mediale Kontrolle und Überwachung der einheitlichen Rechtsanwendung durch die Gerichte zu verwirklichen. Der erforderliche Mindestbestand an Tatsachen sei gegeben, insbesondere unter Hinzuziehung des Umstandes, dass der Antragsteller bereits angekündigt habe, ein

 
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Geständnis ablegen zu wollen. Die Einholung einer Stellungnahme sei in der vorliegenden Konstellation obsolet gewesen, zumal der Antragsteller in der öffentlich geführten Hauptverhandlung ausreichend Möglichkeit erhalten habe, sich zu dem ihm zur Last gelegten Geschehen zu äußern. Durch die von ihr, der Antragsgegnerin, genutzten Formulierungen habe sie auch unmissverständlich deutlich gemacht, dass es sich um ein laufendes Verfahren handele und die Täterschaft des Antragstellers zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden habe („nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft“, „womöglich“, „laut Anklage“, „soll“).

Jedenfalls sei der Verfügungsanspruch durch die Verurteilung des Antragstellers endgültig entfallen. Wenn die Täterschaft des Betroffenen feststehe, bestehe bei einer aktuellen Berichterstattung eine Vermutung dafür, dass das öffentliche Interesse an einer Berichterstattung gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht überwiege. Bei der vom Antragsteller begangenen Straftat aus dem Bereich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung handele es sich um eine Straftat, die das öffentliche Interesse besonders berühre. Die Schwere der Straftat werde durch die Stellung des Antragstellers als Arzt noch verstärkt, da Ärzte berufsrechtlich verpflichtet sein, ihr Handeln rein am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten (§ 2 der Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte, Anlage AG 5). Die Berichterstattung diene darüber hinaus den weiteren öffentlichen Interessen des Anstoßes zur Aufdeckung möglicher weiterer, gleich ausgestalteter Vergehen, der Überwachung der Gerichte sowie der Warnung.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung der Kammer vom 14. Dezember 2016 aufzuheben und den ihr zugrundeliegenden Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Er ist der Auffassung, dass ihm aufgrund der identifizierbaren Berichterstattung der Antragsgegnerin einen Unterlassungsanspruch zustehe und dieser insbesondere auch nach seiner Verurteilung unverändert fortbestehe. Aufgrund des nur unzureichend unkenntlich gemachten Fotos und der veröffentlichten ergänzenden Angaben zu seiner Person sei er jedenfalls für sämtliche Patienten, Kollegen und Bekannte deutlich erkennbar. Die verbreitete Berichterstattung sei rufschädigend und verletze sein allgemeines Persönlichkeitsrecht in besonders schwerer Weise; die Rechtswidrigkeit bestehe insbesondere auch nach seiner geständigen Einlassung und Verurteilung fort. Denn das Recht der Antragsgegnerin, über ein Strafverfahren zu berichten, schließe nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht das Recht ein, den Angeklagten mit Namen zu nennen oder in sonstiger Weise identifizierbar zu machen. Diese Grundsätze seien insbesondere dann zu beachten, wenn das Verfahren die berufliche

 
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Sphäre des Betroffenen betreffe, da dann die akute Gefahr bestehe, dass er das Vertrauen seiner Klientel, Kollegen und seines Arbeitgebers und somit die Basis seiner beruflichen Tätigkeit verliere. Dem öffentlichen Informationsinteresse sei durch eine anonymisierte Berichterstattung Genüge getan. Auch die Veröffentlichung des Bildes sei rechtswidrig, da ihm überhaupt kein eigenständiger Informationswert zukomme, und kein schutzwürdiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit daran bestehe, durch die Veröffentlichung eines Bildes über den im Text beschriebenen Betroffenen informiert zu werden. Vielmehr stelle die Berichterstattung der Antragsgegnerin ihn mit Preisgabe der identifizierenden Umstände bewusst an einen Pranger. Zudem stehe der Veröffentlichung sein berechtigte Resozialisierungsinteresse des Antragstellers entgegen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er nicht einmal zu einer Haftstrafe verurteilt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I . Nach dem Ergebnis der Widerspruchsverhandlung ist die einstweilige Verfügung vom 14. Dezember 2016 hinsichtlich Ziffer I. a) aufzuheben und der ihr zugrundeliegende Antrag zurückzuweisen; hinsichtlich Ziffer I. b) ist die einstweilige Verfügung dagegen zu bestätigen.

1. Der Antragsteller ist aktiv legitimiert, insbesondere ist er von der streitgegenständlichen Wort- und Bildberichterstattung betroffen, da er als Angeklagter des Strafverfahrens erkennbar ist. Zwar wird in der Berichterstattung nicht sein voller Name genannt, sondern lediglich sein Vorname sowie der Anfangsbuchstabe seines Nachnamens. Zudem wurde sein Foto mit einem schwarzen Balken über der Augenpartie versehen. Für die Erkennbarkeit ist es jedoch ausreichen, dass der Antragsteller durch die Gesamtschau der mitgeteilten Informationen und des veröffentlichten Bildes identifizierbar ist. Insoweit kann bereits die Übermittlung von Teilinformationen genügen, aus denen die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft sich ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (BVerfG, Beschluss vom 14.07.2004, 1 BvR 263/03 – Presseberichterstattung, Juris). Denn das Grundrecht kann nicht nur betroffen sein, wenn eine persönlichkeitsverletzende Äußerung eine Verbreitung in einem großen Kreis von Dritten erfährt, sondern auch dann, wenn über das Medium der Zeitung persönlichkeitsverletzende Informationen an solche Leser geraten, die auf Grund ihrer sonstigen Kenntnisse in der Lage sind, die Person zu identifizieren, auf die sich der Bericht bezieht. Gerade für Leser mit Einblick in das berufliche oder persönliche Umfeld des Betroffenen ist die Information in ihrem persönlichkeitsverletzenden Teil aussagekräftig und in der Folge für die in Bezug genommene Person besonders nachteilig (BVerfG a.a.O.). Das Recht am eigenen Bild, eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wird zudem schon dann verletzt, wenn der Abgebildete begründeten Anlass hat, anzunehmen, er könne als abgebildet identifiziert werden; es genügt die Erkennbarkeit durch einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis (BGH; Urteil vom 26.06.1979,VI ZR 108/78 – Fußballtor, Juris Rn. 11). Denn entscheidend ist

 
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der Zweck des § 22 KUG, die Persönlichkeit davor zu schützen, gegen ihren Willen in Gestalt der Abbildung für andere verfügbar zu werden (BGH a.a.O.).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist angesichts der Fülle der mit geteilten Teilinformationen von der Erkennbarkeit des Antragstellers auszugehen. Die Berichterstattung nennt neben seinem Vornamen und dem Anfangsbuchstaben des Nachnamens auch seinen Doktortitel, zudem werden Details zu seinem beruflichen Werdegang mitgeteilt. Auch auf dem Foto ist der Antragsteller – jedenfalls für seinen Bekanntenkreis genauso wie für Personen aus seinem beruflichen Umfeld wie Kollegen oder Patienten – erkennbar. Der lediglich die Augenpartie verdeckende schwarze Balken steht der Erkennbarkeit genauso wenig entgegen wie die von dem Antragsteller getragene Kleidung oder die Tatsache, dass er hinter einem Tisch sitzt. Denn weiterhin gut sichtbar sind Statur, Kopfform, Frisur, Nasen- und Mundpartie sowie Hände des Antragstellers.

2. Dem Antragsteller steht hinsichtlich Ziffer I. a) jedoch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Unterlassungsanspruch zu, insbesondere ergibt sich ein solcher nicht aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG. Denn die den Antragsteller identifizierende Wortberichterstattung stellt keinen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.

a. Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt sich um einen offenen Tatbestand, bei dem die Feststellung einer rechtswidrigen Verletzung eine ordnungsgemäße Abwägung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit voraussetzt (Palandt-Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 76. Auflage 2017, § 823 BGB Rn. 95). Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt. Im Streitfall hat eine Abwägung zwischen dem Recht des Antragstellers auf Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art . 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf der einen Seite und dem Recht der Antragsgegnerin auf Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK auf der anderen Seite zu erfolgen.

Dabei misst sich die Rechtmäßigkeit der vorliegenden Wortberichterstattung nicht an den Maßstäben der Verdachtsberichterstattung, da der Antragsteller zum Schluss der mündlichen Verhandlung als maßgeblichem Zeitpunkt für die Überprüfung der einstweiligen Verfügung (Zöller-Vollkommer, Zivilprozessordnung, 31. Auflage 2016, § 925 Rn. 3) bereits zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war. Steht die Täterschaft des Betroffenen fest, so spricht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei tagesaktueller Berichterstattung über Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten eine Vermutung für das Überwiegen des Berichterstattungsinteresses (BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72 – Lebach, Juris Rn. 64; Beschluss vom 10.06.2009, 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 19). Zwar wird eine öffentliche Berichterstattung über eine Straftat unter Namensnennung, Abbildung oder Darstellung des Täters seinen Persönlichkeitsbereich erheblich beeinträchtigen, weil sie sein Fehlverhalten

 
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öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert (BVerfG, Urteil vom 05.06.1973, 1 BvR 536/72 – Lebach, Juris Rn. 55). Auf der anderen Seite ist aber ein grundsätzlich ebenso gewichtiges Interesse der Öffentlichkeit anzuerkennen, bei Verstößen gegen die Rechtsordnung über Tat und Täter informiert zu werden (BVerfG a.a.O., Juris Rn. 63; EGMR, Urteil vom 07.02.2012, 39954/08, Juris Rn.173). Wägt man das umschriebene Informationsinteresse an einer entsprechenden Berichterstattung generell gegen den damit zwangsläufig verbundenen Einbruch in den Persönlichkeitsbereich des Täters ab, so verdient für die aktuelle Berichterstattung über Straftaten das Informationsinteresse im allgemeinen den Vorrang (BVerfG a.a.O., Juris Rn. 64). Wer den Rechtsfrieden bricht, durch diese Tat und ihre Folgen Mitmenschen oder Rechtsgüter der Gemeinschaft angreift oder verletzt, muss sich nicht nur den hierfür in der Rechtsordnung verhängten strafrechtlichen Sanktionen beugen. Er muss grundsätzlich auch dulden, dass das von ihm selbst durch seine Tat erregte Informationsinteresse der Öffentlichkeit in einer nach dem Prinzip freier Kommunikation lebenden Gemeinschaft auf den dafür üblichen Wegen befriedigt wird (BVerfG a.a.O.). Dieser Vorrang des Informationsinteresses gilt jedoch nicht schrankenlos. Zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darf der Einbruch in die persönliche Sphäre nicht weitergehen, als eine angemessene Befriedigung des Informationsinteresses dies erfordert; die für den Täter entstehenden Nachteile müssen im rechten Verhältnis zur Schwere der Tat oder ihrer sonstigen Bedeutung für die Öffentlichkeit stehen. Danach ist eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation der Täter keineswegs immer zulässig, insbesondere in Fällen der kleinen Kriminalität oder bei jugendlichen Straftätern wird dies nicht der Fall sein (BVerfG a.a.O., Juris Rn. 65). Wo konkret die Grenze für das grundsätzlich vorgehende Informationsinteresse an der aktuellen Berichterstattung zu ziehen ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls entscheiden (BVerfG a.a.O., Juris Rn. 67). Für die Zulässigkeit einer den Täter identifizierenden Berichterstattung spricht im Allgemeinen, wenn das spezifische öffentliche Interesse weniger durch das typische der Tat als durch die Person des Täters ausgelöst wird, namentlich die Frage, welche persönlichen Eigenarten oder Lebensumstände ihn zu seiner Tat getrieben haben mögen (BVerfG a.a.O.).

b. Ausgehend von diesen Maßstäben beeinträchtigt die identifizierende Wortberichterstattung den Antragsteller zwar erheblich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (1). Bei der erforderlichen Einzelabfallabwägung überwiegt vorliegend jedoch das öffentliche Berichterstattungsinteresse (2).

(1) Die Wortberichterstattung teilt wahre Vorgänge aus der Sozialsphäre des Antragstellers mit. Grundsätzlich sind wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre von dem Betroffenen hinzunehmen, soweit sie nicht zu einer Stigmatisierung oder sozialen Ausgrenzung führen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24.03.1998, 1 BvR 131/96 – Missbrauchsvorwurf, Juris Rn. 49; BGH, Urteil vom 09.02.2010,VI ZR 243/08 - Walter Sedlmayr Mord mit dem Hammer, Juris Rn. 16). Der in der Berichterstattung beschriebene Tatvorwurf gegen den Antragsteller ist erkennbar geeignet, seinen guten Ruf und sein Ansehen zu beeinträchtigen. Angesichts der Schwere und des

 
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Charakters der Straftat begründet die identifizierende Berichterstattung einen besonders schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht. Denn es handelt sich um eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Ausnutzung der Hilflosigkeit einer Patientin, zudem berief sich der Antragsteller als Arzt zunächst auf die medizinische Notwendigkeit seiner Handlung. Dagegen kann sich der Antragsteller nicht auf den Schutz seiner absolut geschützten Intimsphäre berufen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 10.06.2009, 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 26). Eine Sexualstraftat mag zwar intime Züge tragen, weil sie sich auf dem Gebiet der Sexualität abspielt. Mit ihr geht aber ein gewalttätiger Übergriff in die sexuelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit des Opfers einher, so dass ihre Begehung keinesfalls als Ausdruck der von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit des Täters angesehen werden kann. Die Tat ist deshalb auch nicht von höchstpersönlicher, die Menschenwürde des Täters berührender Natur, so dass ihm hierfür ein fremden Einblicken entzogener Freiraum zuzubilligen wäre (BVerfG a.a.O.).

Im Rahmen der Abwägung ist zugunsten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass die von ihm begangene Straftat unmittelbar seine berufliche Tätigkeit betrifft und somit seine berufliche Zukunft auf dem Spiel stehen dürfte. Denn die zu erwartende Stigmatisierung gefährdet die Chancen des Antragstellers, jemals wieder als Arzt tätig zu sein. Auch die Tatsache, dass seine Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, spricht für sein besonderes Resozialisierungsinteresse.

(2) Dagegen ist auf Seiten der Antragsgegnerin zu berücksichtigen, dass die Berichterstattung ein zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuelles Strafverfahren betrifft, also ein aktuelles Informationsinteresse befriedigt wird. Genannt werden in der Wortberichterstattung auch nur solche Identifikationsmerkmale des Antragstellers, die seine Öffentlichkeitssphäre berühren (Name, Alter, Beruf, Arbeitgeber), nicht dagegen weitere Details aus seiner Privatsphäre. Zudem ist der Antragsteller mittlerweile wegen der ihm zur Last gelegten Tat aufgrund eines Geständnisses in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe (auf Bewährung) verurteilt worden, deren Höhe nicht im unteren Bereich des Strafrahmens des § 174c Abs. 1 StGB (3 Monate bis 5 Jahre) liegt.

Von besonderem Gewicht im Rahmen der Abwägung ist jedoch das große Informationsinteresse der Öffentlichkeit an einer identifizierenden Berichterstattung. Dieses begründet sich aus der Schwere der Straftat, der Stellung des Antragstellers als Arzt sowie aus den weiteren Vorwürfen gegen Mitarbeiter des U. in engerem zeitlichen Zusammenhang, wenn auch nicht im Zusammenhang mit dem Antragsteller. Ausschlaggebend für das Überwiegen des Informationsinteresses an einer identifizierenden Berichterstattung ist zur Überzeugung der Kammer dabei, dass das spezifische Interesse der Öffentlichkeit gerade durch die Person des Antragstellers ausgelöst wird, weil dieser als Arzt seine Stellung ausgenutzt hat, um einer Patientin zu schaden. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit hat der Antragsteller durch die Begehung der Straftat selbst geweckt; daher muss er nun dulden, dass über das Strafverfahren identifizierend berichtet wird. Denn das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt
 
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dem Täter keinen Anspruch darauf, in aller Stille das Strafverfahren abwickeln zu können, um der sozialen Missbilligung durch sein Umfeld zu entgehen (BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009, 1 BvR 1107/09, Juris Rn. 29). Allein von der tagesaktuellen Berichterstattung, die mit dem Abschluss des Verfahrens ein Ende findet, geht keine derart schwerwiegende Stigmatisierung in einer solchen Breitenwirkung aus, dass eine dauerhafte oder langanhaltende soziale Ausgrenzung zu befürchten wäre, die in der Abwägung das Berichterstattungsinteresse überwiegen müsste (BVerfG a.a.O.). Die streitgegenständliche tagesaktuelle Wortberichterstattung entfaltet zur Überzeugung der Kammer keine derart gravierende Breitenwirkung, dass eine dauerhafte Ausgrenzung des Antragstellers zu befürchten wäre, die er nicht bereits durch das strafrechtlich relevante Verhalten und die daraufhin ergangene Verurteilung selbst verursacht hat. Es ist nicht darüber zu entscheiden, ob zukünftig bzw. ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr identifizierend berichtet werden darf.

2. Hinsichtlich der Bildberichterstattung in Ziffer 1. b) steht dem Antragsteller dagegen ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG zu, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines Persönlichkeitsrecht.

a. Die Veröffentlichung des Bildnisses des Antragstellers ist ohne seine Einwilligung (§ 22 S.1 KUG) erfolgt.

Die Einwilligung des Antragstellers war auch nicht gemäß § 23 Abs. 1 KUG entbehrlich. Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei dem Strafverfahren gegen den Antragsteller um ein zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt. Denn jedenfalls stehen der Befugnis zur Verbreitung des Bildnisses berechtigte Interessen des Antragstellers entgegen (§ 23 Abs. 2 KUG).

Zwar wurden die Aufnahmen anlässlich einer öffentlichen Hauptverhandlung in einem Strafverfahren angefertigt; die im Rahmen einer solcher Verhandlung anwesenden Öffentlichkeit, die den Kläger zur Kenntnis nehmen kann, ist jedoch nicht mit der Öffentlichkeit vergleichbar, die durch einen Zeitungsartikel erreicht wird. Die Verbreitung des Bildnisses des Antragstellers stellt angesichts der nur unzureichenden Unkenntlichmachung seiner Person und des daraus resultierenden sehr großen Grades der Erkennbarkeit für Bekannte und berufliches Umfeld, aber auch für die Öffentlichkeit im allgemeinen, einen massiven Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Zwar hat der BGH hervorgehoben, dass häufig auch ein legitimes Interesse der Öffentlichkeit an der bildlichen Darstellung eines Straftäters bestehen kann, weil Straftaten durch dessen Persönlichkeit geprägt sind und Bilder prägnant und unmittelbar über seine Person informieren können (BGH, Urteil vom 07.06.2011, VI ZR 108/10 – Bild im Gerichtssaal, Juris Rn. 24). Soll nicht nur der Name, sondern auch ein Bildnis des (vermeintlichen) Straftäters veröffentlicht werden, gilt aber auch hier der Grundsatz, dass Bildnis-Veröffentlichungen regelmäßig intensiver in das Persönlichkeitsrecht eingreifen als reine Wortberichterstattungen (BVerfG Urteil vom 15.12.1999, 1 BvR 653/96 –Caroline von Monaco II,

 
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Juris Rn. 70ff.). Eine solche deutlich höhere Eingriffsintensität der Bildberichterstattung gegenüber der Wortberichterstattung ist vorliegend gegeben, weil der Antragsteller auch für solche Personen identifizierbar wird, die nicht im beruflichen Umfeld Kontakt zu ihm haben. Der Antragsteller wird so gleichsam an den Pranger gestellt, ohne dass diese Eingriffsintensität durch ein besonderes Informationsinteresse gerechtfertigt wäre.

b. Es besteht hinsichtlich der Bildberichterstattung auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die Wiederholungsgefahr wird durch die Erstbegehung indiziert, es wurde keine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben, die einstweilige Verfügung der Kammer wurde nicht als endgültige Regelung anerkannt und auch sonst sind keine Umstände ersichtlich, die eine Wiederholungsgefahr entfallen lassen könnten.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Käfer
Vorsitzende Richterin am Landgericht

Böert
Richterin am Landgericht

Kersting
Richter


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